Freitag, 23. April 2010

Das Hightech-Einspartribunal > Wie Japans Regierung das Internet zur Waffe gegen Verschwendung und Filz macht.

Japans neue Regierung geht mit internetverstärkter Transparenz gegen die berüchtigte Verschwendung in den Behörden vor. Heute inszenierte die Regierung das zweite Mal die öffentliche Sitzung des Haushaltsprüfungsausschusses. Die Stimmung ist gespannt, denn der Ausschuss ist die Geheimwaffe der Regierung, mit der sie das Dickicht der Schattenhaushalte ausdünnen, versteckten Filz aufdecken und die Steuern des hochverschuldeten Staates sinnvoller ausgeben will.

Diesmal verhören die Politiker mehrere große Organisationen, darunter Japans Entwicklungshilfebehörde Jica, auf Verschwendung öffentlicher Gelder. Mehr als ein Dutzend Kameras, mehr als 100 Zuschauer im Saal verfolgen das Spektakel vor Ort, ungezählte Bürger im Land per Liveübertragung im Internet. Dabei machten die Bürger ausgiebig von der Gelegenheit Gebrauch, mit dem Kurznachrichtendienst Twitter live die Veranstaltung zu kommentieren.  

Im Mittelpunkt steht die heimliche Heldin der Veranstaltung, Renho Murata, ehemalige TV-Ansagerin und seit 2004 Oberhausabgeordnete der Demokraten. "Renho macht ein genervtes Gesicht", "Renho sieht verärgert aus", kommentieren die Bürger die Spitzen Fragen der 42-jährigen. Dabei sie das als Kompliment meinen für den Politikerin, die sich voriges Jahr landesweit den Ruf des Bürokratenschrecks verdient hat. 

Renho, wie sie sich selbst nennt, hatte bei der Überprüfung eines kostspieligen Supercomputerprojekts den Mut besessen, zu fragen, was denn daran so schlimm sei, wenn Japan in diesem Bereich nur die Nummer zwei wäre. Der rechte ehemalige Wirtschaftsminister Takeo Hiranuma warf ihr daraufhin offen unter Hinweis auf hier halbtaiwanesische Abstammung vor, dass sie nicht richtig japanisch sei. Aber das Projekt wurde revidiert, Geld gespart und eine innovative Lösung gefunden, die im Endeffekt mehr Unternehmen Zugang zu Supercomputern gewährt.

Für Renho war das ein Paradebeispiel dafür, was die öffentliche Durchleuchtung der bisher schattigen Haushalte der Ministerien und 6600 Behörden, öffentlichen Unternehmen und regierungsnahen Organisationen erbringen kann. "Es geht uns nicht schlicht darum zu sparen, wir wollen sicherstellen, dass die Steuergelder wirkungsvoll ausgegeben werden", erklärt der Shooting-Star der Demokraten. 

Diesmal geht es wieder diversen Organisationen an den Kragen, namentlich dem Okinawa Institute of Science and Technology, dem Institut für Arbeitspolitik und Training, die Hausbaufinanzierungsbehörde und wie gesagt die Jica. Ministerpräsident Yukio Hatoyama machte seinen Inquisitoren Dampf: "Die Öffentlichkeit hat hohe Erwartungen für unsere Haushaltsüberprüfung." Er selbst erwarte einen gründlichen Check für unnötige oder verschwenderische Ausgaben der unabhängigen Behörden und eine Auslöschung von Amakudari, einer berüchtigten Praxis, in der mehr oder weniger verdiente Spitzenbeamte nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt mit hoch dotierten Posten in regierungsnahen Einrichtungen abgefunden werden.

* Nur ist äußerst zweifelhaft, ob die Bürger den Eifer der Demokraten derzeit honorieren. Nach der negativen Medienkampagne vor allem der führenden Zeitungen ist die Zustimmungsrate zur Regierung kontinuierlich auf Werte um 30 Prozent gefallen. In den Augen der meisten Medien muss einfach falsch sein, was die Regierung macht.

Statt sich um die wichtigen Reformen zu kümmern, fokussieren die Medien das Interesse auf diverse Nebenkriegsschauplätze: Den umstrittenen US-Truppenumzug auf Okinawa beispielsweise, Ozawas unterstellte, aber bis heute nicht bewiesene Verwicklung in einen Parteispendenskandal, die Bewährungsstrafe für Hatoyamas Sekretär in Parteispendenskandal.

Neuerster Brennpunkt ist der regierungsinterne Streit um Autobahngebühren, die das Verkehrsministerium teilweise anheben, DPJ-Generalsekretär Ichiro Ozawa aber getreu dem Wahlversprechen seiner Partei aufheben will. Anstatt den offenen Schlagabtausch als Akt der Demokratie zu feiern, nörgelt die Nikkei, dass die Regierung hoffnungslos sei. Offenbar sehnen sich die Leitartikler nach einer Kabinettdiktatur, bei der den Parteien nur noch die Rolle als Abnicker zukommt. 

1 Kommentar:

  1. Nun ich denke das es ein Land ohne Ressourcen jenseits deren des Geistes es sich nicht Leisten kann "Zweiter" zu sein. Im z.B. Patentwesen gibt es nun mal keine Silbermedaille für den Zweiten.
    Und dasselbe gilt auch wissenschaftliche Publikationen/Entdeckungen.
    Drittmittel fließen bevorzugt zu erstklassigen Stellen, nicht zweit-platzierten.

    Sparen ja, aber doch bitte keine Inquisition von Leuten, die wie die Frau Murata keinen entsprechenden Hintergrund haben und die sich mit eben den gemachten Aussagen Fachlich disqualifizieren.

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